Lieber Herr Rabe, wir freuen uns sehr, dass Sie uns für dieses Interview zur Verfügung stehen. Sprechen wir zunächst einmal über Deutschland als Datenstandort: Bekanntlich bilden Rechenzentren das Fundament für unsere digitale Welt. Wo steht Deutschland aus Ihrer Sicht im internationalen Wettbewerb und was müssen wir tun, um den Standort attraktiv für die Zukunft zu machen?
Der Rechenzentrumsstandort Deutschland ist traditionell stark aufgestellt. Nicht zuletzt durch den DE-CIX, dem mit in der Spitze über 14 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde größten Internetaustauschknoten in Frankfurt am Main, haben sich viele Rechenzentren in Deutschland zu einer leistungsstarken Größe und somit zum verlässlichen Rückgrat einer fortschreitenden Digitalisierung entwickelt. Doch die Welt dreht sich weiter und die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hat gerade erst begonnen. Und damit wird auch das Thema Rechenzentren als Ort der Datenspeicherung und -verarbeitung weiter an Bedeutung gewinnen. Politische Entscheidungen müssen dies bereits heute antizipieren, damit auch in Zukunft “Daten ein Zuhause” in Deutschland haben.
Daher gilt es, digitale Leistungsfähigkeit, digitale Souveränität als auch digitale Nachhaltigkeit zusammenzudenken und nicht gegeneinander auszuspielen, so wie wir das jüngst etwa beim Referentenentwurf zum Energieeffizienzgesetz gesehen haben. Solcherart einseitige Regulierungsvorhaben zu Lasten der Datacenterbranche sind kontraproduktiv für den Digitalstandort Deutschland. Insbesondere, wenn die Rahmenbedingungen – wie etwa der Ausbau erneuerbarer Energien oder leistungsstarker Wärmenetze – Stand heute in Deutschland schlichtweg noch nicht gegeben sind.
Um auf die Bedeutung des Ökosystems digitaler Infrastrukturen für die zukünftigen Wertschöpfungs- und Innovationspotentiale in Deutschland verstärkt aufmerksam zu machen, haben wir unter dem Verbandsdach des eco 2018 die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland ins Leben gerufen. Seither ist auch das Bewusstsein für leistungsstarke digitale Infrastrukturen stärker in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit gerückt, doch wir haben noch immer viel zu tun.
Denn die Digitalisierung steht – wie eingangs beschrieben – erst an ihrem Anfang. Künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder auch Themen wie das Metaverse zeigen uns bereits heute die Richtung der zukünftigen Entwicklungen und um hier auch an der Weltspitze mitzuspielen , müssen wir viel Aufholleistung erbringen. Deutschlands digitale Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich im Vergleich mit anderen europäischen Ländern eher im schlechten Mittelfeld.
Das hat der jüngst veröffentlichte DESI-Index der Europäischen Kommission für das Jahr 2022 noch einmal verdeutlicht: Von 27 EU-Ländern belegt Deutschland gerade einmal Platz 13.
Das kann sich aus unserer Sicht eine so starke Wirtschaftsnation wie Deutschland nicht länger leisten, will sie auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben.
Als einer der führenden deutschen Cloud-Provider bietet plusserver eine Plattform für die Digitalisierung „Made in Germany“. Wie schätzen Sie den Bedarf und das Potenzial deutscher Cloud-Lösungen ein?
Fakt ist: Digitale Souveränität ist eine zunehmend wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Digital- und Gesamtwirtschaft am Standort Deutschland. Digitale Souveränität bedeutet für mich hierbei ausdrücklich nicht Abschottung und Protektionismus. Vielmehr beschreibt der Begriff für mich die Unabhängigkeit, aus vielen verschiedenen Angeboten frei das für mich und mein Unternehmen individuell passendste aussuchen zu können. Projekte wie GAIA-X zeigen uns, wie groß der Bedarf und das Interesse an solchen Orientierungsangeboten ist.
Cloud-Angebote aus Deutschland sind in diesem Kontext daher ein wichtiger Bestandteil eines internationalen Marktes, da sie Lösungen anbieten können, die beispielsweise in Bezug auf Datenschutzstandards und Erreichbarkeit besonders gut auf die Anforderungen insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland eingehen können.
Aber auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus gilt dieser Vorteil: Cloudlösungen aus Deutschland können zu höheren Auslandsinvestitionen und damit zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum führen: Wenn internationale Unternehmen sich darauf verlassen können, dass ihre sensiblen Daten umfassend geschützt sind, ist das sicherlich ein wichtiger Selling Point.
Derzeit wird viel über souveräne Cloud-Angebote und Open-Source-Technologie diskutiert. plusserver war mit der pluscloud open eines der ersten Unternehmen, dass eine Open Source Cloud produktiv umgesetzt hat. Welche Rolle spielt das Thema Open Source für die Zukunft digitaler Infrastrukturen?
Das Thema Open Source gewinnt aus meiner Sicht bereits heute stark an Bedeutung und wird auch in Zukunft immer wichtiger. Wenn wir Superlative im Kontext von Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Verarbeitung von Daten sowie eingesetzten Softwarekomponenten erreichen wollen, sind allgemein verfügbarere standardisierte Technologien sicherlich ein adäquates Mittel der Wahl. Zudem sehe ich weitere Vorteile bei der Verwendung von Open Source, da zumeist weder Lizenzgebühren anfallen noch eine Abhängigkeit gegenüber einem einzelnen Hersteller entstehen kann. Eine Open Source Cloud adressiert insbesondere auch Anwendergruppen, die von klassischen Angeboten bisher nicht voll zufriedengestellt werden konnten, und erweitert entsprechend die für das Ökosystem digitaler Infrastrukturen so wichtige Angebotsvielfalt.
Als eco – Verband der Internetwirtschaft unterstützen wir seit jeher ein breites Spektrum an Angeboten, um die Vielfalt des Internets auch zukünftig zu bewahren.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke, lieber Herr Rabe. Wir freuen uns sehr auf die weitere Zusammenarbeit.
Über unseren Gesprächspartner
Alexander Rabe, Geschäftsführer des eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
Mit über 1.000 Mitgliedsunternehmen ist eco der größte Verband der Internetwirtschaft in Europa. Rabe verantwortet standortübergreifend die strategische, inhaltliche und kommunikative Außendarstellung des Verbands. Rabe ist Mitglied im Beirat Marktwächter Digitale Welt des VZBV und im Beirat für das BMWi-geförderte Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft.
Die erste Enterprise Open Source Cloud "Made in Germany"
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