Der Zustand der Digitalisierung öffentlicher Stellen in Deutschland ist heute mehr denn je Gesprächsthema. Der Bildungssektor, die Gesundheitsversorgung und die Verwaltung selbst haben hier Nachholbedarf gezeigt. Die Realität ist zwar weiter fortgeschritten, als Scherze über Faxgeräte andeuten. Dennoch ist die Digitalisierung der öffentlichen Stellen eine Herausforderung. Wir sprechen mit Christian Schmitz darüber, warum Open-Source-Lösungen der richtige Weg für die Modernisierung der Verwaltung sind.
Christian, in der vergangenen Zeit wurde viel über den digitalen Zustand des Staates, der Kommunen und vieler weiterer Stellen gesprochen. Wie siehst Du den aktuellen Weg der öffentlichen Digitalisierung in Deutschland?
Wir haben ja alle gesehen, dass der aktuelle Stand nicht optimal ist. Beispielsweise bei der Datenübermittlung zwischen lokalen Ämtern und zentralen Stellen. Oder bei den fehlenden Plattformen der Schulen für Homeschooling. Wir müssen aber auch anerkennen, dass einerseits öffentliche Stellen genau so kalt erwischt wurden wie viele Unternehmen, andererseits die Komplexität der zahlreichen Verwaltungsebenen besonders groß ist. Nicht zu vergessen, dass auch die Anforderungen hier besonders hoch sind. Anforderungen an die Robustheit und Sicherheit, aber auch beispielsweise an Prozesse wie bei Ausschreibungen. Agile Herangehensweisen wie „Fail Forward“ oder „Release now, fix later“ sind hier leider keine realistische Option.
Worauf kommt es denn an, um Systeme und Lösungen zu schaffen, die öffentliche Stellen in die digitale Zukunft führen?
Ein wichtiger Punkt ist die Souveränität. Öffentliche Stellen können sich bei der Infrastruktur und ihren Systemen nicht von der Produktpolitik weniger großer Anbieter abhängig machen. Nebenbei ist auch der Punkt der Lizenzkosten relevant, die tendenziell stetig steigen. Bei Open Source – egal ob in Behörden oder Unternehmen – geht es aber nicht primär darum, Kosten zu sparen, sondern darum, eigenständig zu sein. Das Land Schleswig-Holstein verfolgt aktuell beispielsweise eine ambitionierte Open-Source-Strategie. Auch Bund und Länder arbeiten darauf hin, eine einheitliche Plattform zu schaffen, die als Open-Source-Repository und Anlaufstelle für Behörden fungiert.
Wichtigster Punkt ist hier die Standardisierung. Und zwar Standardisierung einerseits in Form von beispielsweise Harmonisierung der Datenstrukturen und Anforderungen. Andererseits Standardisierung bei den verwendeten Tools, Schnittstellen, Lösungen und der Infrastruktur. Denn in Umgebungen mit sehr heterogenen Anforderungen lassen sich einzelne Lösungen nur schlecht skalieren. Das gilt für Unternehmen, für die buchstäblich vielschichtige Verwaltung aber umso mehr. Zahlreiche Ämter, Verwaltungsebenen und Fachbereiche müssen über Grenzen des Bundes, der Länder und Kommunen hinweg einheitliche Schnittstellen, Datenformate und Technologiekonsistenz erreichen. Das ist alles andere als einfach.
Was sind denn die Open-Source-Lösungen und Bereiche, die Behörden und Unternehmen mit Wunsch nach Souveränität helfen können?
Lösungen gibt es auf zahlreichen Ebenen. Viele Projekte zielen auf Clientsoftware ab, das ist wichtig, aber nicht ganz unser Thema. Wenn wir auf die Infrastruktur blicken, dann gibt es hier einige interessante Entwicklungen. Besonders auf der Ebene der Infrastruktur ist es wichtig, dass hier offene Standards statt proprietärer Lösungen zum Einsatz kommen. Denn hierauf bauen alle weiteren Lösungen auf. Vollständig einheitliche Lösungen wird es in der Verwaltung kaum geben. Dafür müssen beispielsweise übergreifende Integrationsplattformen dabei helfen, dezentrale Lösungen miteinander zu verbinden.
Wie können Behörden oder datenschutzsensible Unternehmen denn eine moderne IT-Infrastruktur in der Cloud aufbauen? Ist das bereits ein Widerspruch in sich?
Es klingt für manche vielleicht so, muss es aber nicht sein. Als deutsche Behörde kommen Services, die im Zugriff von Drittstaaten liegen oder in jeglicher Form rein proprietäre Technik sind, kaum in Frage. Doch auch die Cloud kann offen, standardisiert und ohne Vendor Lock-in funktionieren.
Das Projekt Gaia-X zeigt, dass Innovation, moderne Infrastruktur und digitale Souveränität gut zusammen gehen können. Hier haben sich zahlreiche Technologieanbieter zusammengeschlossen, um eine europäische Grundlage für ein Ökosystem zu schaffen, das volle Datensouveränität bei zugleich skalierbarer Datenverfügbarkeit erlaubt.
Hast Du ein Beispiel dafür?
Nehmen wir hier die Data Spaces, die ebenfalls Teil der Gaia-X-Initiative sind. Dies ist ein sicherer Standard für Datenintegration, um Daten verfügbar zu machen, ohne die Kontrolle darüber zu verlieren. Data Spaces sind dezentral, die Daten bleiben dezentral in der Hand des Urhebers. Das berücksichtigt also die Anforderungen, die Organisationen an die digitale Souveränität haben und reduziert den initialen Aufwand, der sonst bei Plattformen für Datenintegration üblicherweise nötig ist. Das bietet viele Anwendungsmöglichkeiten, um in sensiblen Bereichen Datenaustausch zu ermöglichen. Beispielsweise im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, dem Energiesektor, Versicherungen oder der mittelständischen Industrie.
Lieber Christian, vielen Dank für das Gespräch!
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Christian Schmitz ist seit Oktober 2022 als Director AI & Open Source für die plusserver gmbh tätig und verantwortet die Entwicklung der Ausrichtung im Bereich Cloud, mit Fokus auf Open Source und digitale Souveränität.
Mit über 25 Jahren Erfahrung in der IT-Branche bringt er tiefgehendes Wissen in Bereichen wie Cloud-Technologien, IT-Security und Geschäftsfeldentwicklung mit. Vor seiner Tätigkeit bei plusserver war er Chief Strategy & Innovation Officer bei ownCloud und verantwortete die Ausrichtung der Firma sowie die Umsetzung globaler strategischer Cloud-Projekte.
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