Hallo Severin. Danke für deine Zeit, mit uns über diese beiden wichtigen Themen der Energieeffizienz in Rechenzentren und der Nachhaltigkeit zu sprechen. Fangen wir doch gleich einmal damit an, wie man Energieeffizienz von Rechenzentren eigentlich messen kann?
Sehr gerne. Denn das ist quasi die Grundvoraussetzung, um passende Maßnahmen für mehr Energieeffizienz im Rechenzentrum umsetzen zu können. Hier gilt der sogenannte PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) als wichtigste Messgröße. Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen dem Gesamtenergieverbrauch im Rechenzentrum zum Energieverbrauch der Hardware an. Je näher er an eins liegt, umso besser bzw. energieeffizienter ist das Rechenzentrum. In den Rechenzentren von plusserver liegt der Wert aktuell beispielsweise bei 1,35.
Das hört sich bereits nach einem sehr effizienten Rechenzentrumsbetrieb an. Setzt plusserver dazu auch auf Solaranlagen auf den Dächern oder Abwärmenutzung? Von diesen beiden Maßnahmen hört man in der Branche ja viel …
Das stimmt, damit wird viel geworben. Doch Solarmodule auf dem Dach haben meist keinen großen Einfluss auf die Energieeffizienz im Rechenzentrum. Denn gerade Bestandsrechenzentren befinden sich oft in dichtbesiedelten Gewerbegebieten. Und hier ist die nutzbare Fläche einfach nicht groß genug, um den Strombedarf für das ganze Rechenzentrum zu erzeugen. Die durchschnittlich erzeugte Energie bewegt sich lediglich im einstelligen Prozentbereich. Solarmodule können daher gerade in Bestandsrechenzentren nur unterstützend eingesetzt werden.
Bei Abwärme im Sinne von Fernwärme ist es derzeit ähnlich. Die Temperaturen von rund 40 Grad, die im Rechenzentrum anfallen, sind zu niedrig, um sie effizient über lange Strecken zu transportieren. Dafür sind die Infrastrukturen in den Städten noch nicht ausgelegt. Es bietet sich aber durchaus an, direkt angrenzende Büroflächen mit der Abwärme des Rechenzentrums zu beheizen. Das ist heute schon problemlos möglich.
Konkrete Maßnahmen für energieeffizientere Bestandsrechenzentren
Welche Maßnahmen können denn dann sinn- und wirkungsvoll in Bestandsrechenzentren umgesetzt werden?
Da gibt es bereits einige Basics, die Betreiber problemlos realisieren können. Dazu zählt beispielsweise, die Temperaturen im Rechenzentrum zu erhöhen. Früher wurde in den Rechenzentren viel zu viel heruntergekühlt. Heute fährt man mit höheren Temperaturen, die natürlich ständig überwacht werden. Außerdem kann man Kaltgang-Einhausungen umsetzen, sodass sich die kalte Luft nicht mit der warmen Luft im Rechenzentrum vermischt. Auch der Einsatz moderner USV-Systeme mit geringer Verlustleistung ist eine wirkungsvolle Maßnahme für mehr Energieeffizienz im Rechenzentrum. Energieeffiziente Klimaanlagen und die Nutzung von hundertprozentigem Naturstrom sind ebenfalls gut geeignet für Bestandsrechenzentren.
Das ist gut zu wissen. Also können Rechenzentrumsbetreiber mit diesen Basismaßnahmen bereits viel erreichen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben bei plusserver alle diese Maßnahmen konsequent umgesetzt. Damit konnten wir zum Beispiel in einem unserer Rechenzentren in Hamburg den PUE von vorher über 2 auf heute 1,35 im Jahresmittel reduzieren. Man sollte dabei aber auch bedenken: Ein Rechenzentrum kann noch so energieeffizient sein und gute Werte vorweisen. Das spiegelt jedoch noch nicht zwingend wider, was darin läuft. Und darauf kommt es letztlich auch an.
Green Coding und Lifecycle Management
Was meinst du damit genau?
Als Betreiber eines Rechenzentrums kann man schon einiges tun. Gemeinsam mit den Kunden kann man aber noch viel mehr erreichen. Und darauf sollte man heute eigentlich nicht nur aus Klima-, Umwelt- und betriebswirtschaftlichen Gründen achten. Es gilt auch im Sinne der ökologischen und sozialen Verantwortung, Wert darauf zu legen. Hier gibt es noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Deshalb ist es gut, wenn wir als Betreiber mehr darüber informieren und die Kunden für das Thema sensibilisieren.
Denn bereits bei der Entwicklung von Applikationen kann deutlich mehr auf Effizienz geachtet werden. Das Stichwort ist hier Green Coding. Dabei handelt es sich um eine Form der Softwareentwicklung. Ziel ist es dabei, den Code der Software so effizient zu programmieren, dass er dabei hilft, Energie im Rechenzentrum einzusparen. Das kann dann unnötigen Stromverbrauch vermeiden.
Ein weiteres wichtiges Stichwort ist Lifecycle Management. Viele Unternehmen setzen noch fünf bis zehn Jahre alte Hardware ein, um darauf alte Applikationen laufen zu lassen. Das ist nicht wirklich energieeffizient. Deshalb ist es wichtig, im Idealfall Hardware und Anwendungen im Rahmen des Lifecycle Managements stetig zu optimieren und zu erneuern. Der Einsatz von Refurbished Hardware sollte also eher kritisch hinterfragt und geprüft werden. Auf der einen Seite ist das zwar ressourcenschonend, weil die Bauteile nicht neu produziert werden müssen. Auf der anderen Seite können auf einem neueren Server viele Altsysteme konsolidiert und damit der Gesamtenergiebedarf erheblich reduziert werden.
Für Unternehmen, die all das im eigenen Rechenzentrum umsetzen möchten, bedeutet das natürlich hohe Investitionskosten und einen erheblichen Aufwand.
Also wäre es für Unternehmen sinnvoll, aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Energieeffizienz die Cloud einem eigenen Rechenzentrum vorzuziehen?
Wenn man es genau betrachtet, ja. Cloud-Rechenzentren verbrauchen natürlich auch Energie. Aber meist werden darin bereits energiesparende Systeme verwendet und die Kühlung wurde ebenfalls optimiert. Zudem ist die Leistungsdichte in einem Cloud-Rechenzentrum in der Regel wesentlich höher als in einem Rechenzentrum eines einzelnen Unternehmens. Dadurch und durch unterschiedliche Workloads der einzelnen Kunden werden vorhandene Kapazitäten deutlich besser ausgelastet.
Unternehmen können heute also grundsätzlich durch einen Wechsel in ein modernes Cloud-Rechenzentrum bereits zu mehr Nachhaltigkeit in der IT beitragen. Denn damit können sie zum einen durch die Nutzung flexibler und skalierbarer Cloud Services rentabler arbeiten. Zum anderen tragen sie dazu bei, IT-Ressourcen effizienter und nachhaltiger zu nutzen. Microsoft hat dazu eine Studie veröffentlicht. Sie zeigt, dass der Einsatz von Cloud Services gegenüber einem herkömmlichen Rechenzentrum bis zu 93 Prozent Energie und sogar bis zu 98 Prozent CO2 einspart. Das sind enorme Einsparpotenziale, die manchen Unternehmen heute noch gar nicht in dieser Deutlichkeit bewusst sind. Deshalb beraten wir bei plusserver Unternehmen bei Interesse ausführlich darüber, wie sie mit der Cloud eine nachhaltige IT realisieren können.
Das sind in der Tat sehr eindrucksvolle Zahlen! Gibt es denn konkrete Zertifizierungen als Orientierungshilfe für Unternehmen, um zu erkennen, wie nachhaltig oder energieeffizient ein Anbieter ist?
Leider gibt es bisher noch kaum bindende Vorgaben beim Bau von Rechenzentren. Und auch in Zertifizierungen wird das aktuell noch nicht umfassend abgebildet. Zertifizierungen wie der Blaue Engel für Rechenzentren haben sich in der Branche nicht durchgesetzt. Verbände wie der eco-Verband der Internetwirtschaft denken aber bereits über neue Zertifizierungen für Rechenzentren nach. Man darf also gespannt sein, was die Zukunft in diesem Bereich noch bringt. Bis dahin bleiben der PUE-Wert und Naturstromzertifikate eine gute Orientierung.
Danke dir für das Gespräch, Severin.
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